Interview mit Jonas Lauber, dem Gewinner des Fotowettbewerbs «Meine Schweiz»
Die Schönheit der Schweiz einzufangen – das war das Ziel des vom Migros Photo Service und CEWE initiierten Fotowettbewerbs «Meine Schweiz». Der Wettbewerb fand im Rahmen des noch bis Ende Mai andauernden CEWE Photo Awards, dem grössten Fotowettbewerb der Welt, statt – ganz passend zu dessen Motto «Our world is beautiful». Nun wurde Jonas Lauber, Lokführer und Hobbyfotograf aus Sankt Niklaus im Wallis, mit seinem Foto «Railway to heaven» von der fachkundigen Jury zum Sieger des Sonderwettbewerbs gekürt. CEWE hat ihn virtuell zum Interview getroffen und ein spannendes Gespräch über nächtliche Fototouren, fotografierende Lokführer und die Schönheit der Schweiz geführt.
Herr Lauber, herzlichen Glückwunsch zu Ihrem Sieg beim Fotowettbewerb «Meine Schweiz». Bevor wir auf Ihr Foto eingehen: Erzählen Sie uns doch ein bisschen von sich.
Mein Name ist Jonas Lauber, ich bin verheiratet und habe zwei Kinder. Wir leben im Wallis, in der Nähe von Zermatt. Ein bisschen abgeschieden, ohne viele Leute drumherum. Ich habe ursprünglich Maschinenbau gelernt, doch jetzt bin ich schon seit zehn Jahren Lokführer bei der Gornergratbahn.
Was hat Ihre Familie zu Ihrem Erfolg beim Fotowettbewerb des Migros Photo Service und CEWE gesagt?
Zuerst haben sie es mir nicht geglaubt. Ich war am Mittagessen als ich die Nachricht bekommen habe. Dann bin ich erst Mal fünf Minuten mit offenem Mund am Tisch gesessen, so überwältigt war ich. Mein Bruder glaubt es mir immer noch nicht und mein Vater erhebt schon Ansprüche auf meine alte Kamera, jetzt wo ich eine neue gewonnen habe (lacht).
Was schätzen Sie an Ihrer Heimat?
Ich bin ein Bergler, ich bin in den Bergen aufgewachsen. Ich schätze die Ruhe und die Abgeschiedenheit. Wenn ich mal keine Menschen sehen möchte, dann sehe ich eben einfach den ganzen Tag lang keinen Menschen. Trotzdem bin ich dann nicht nur an einem Ort, sondern kann mich frei bewegen. Und die Gegend ist einfach schön. Ich fahre jetzt seit 10 Jahren jeden Tag auf den Gornergrat. Das sind etliche 1000 Fahrten. Und jeden Tag sieht das Matterhorn anders aus. Es ist nie langweilig, sondern immer wieder aufs Neue beeindruckend. Jede Fahrt hoch ist ein Eintauchen in eine andere Welt.
Wie ist dieses spezielle Foto entstanden?
Ich habe das Foto in einer Spätschicht gemacht. Da habe ich manchmal einen Aufenthalt von ca. 45 Minuten an einem Bahnhof ein paar hundert Meter unterhalb von dem Ort, wo ich das Foto aufgenommen habe. An dem Abend war mir einfach langweilig und ich hatte meine Kamera dabei. Also bin ich ein Stück weitergefahren. Ich wollte eigentlich die Milchstrasse über dem Matterhorn fotografieren. Aber die Fotos waren so… naja, ich war nicht ganz zufrieden. Bevor ich wieder runtergefahren bin, hatte ich noch etwas Zeit. Also habe ich einfach die Kamera noch einmal hingestellt und losgelegt – das ist dabei herausgekommen.
Wann haben Sie gemerkt, dass es ein gutes Foto ist?
Eigentlich erst zwei oder drei Wochen später, als ich Fotos bearbeitet habe. Beim Bearbeiten habe ich dann gemerkt: Das wird was, das sieht besser aus, als ich das geplant habe. Für mich ist das einfach... mein Bild. Ich weiss auch nicht, es hat für mich eine spezielle Bedeutung. Es hängt auch bei mir an der Wand, weil es mich einfach direkt angesprochen hat. Ich hätte aber niemals gedacht, dass ich damit bei einem Fotowettbewerb gewinnen könnte – das war eine grosse Überraschung!
Es ist ein Foto, das direkt begeistert. So ging es auch der Jury.
Ja es scheint so. Einige meiner Kollegen haben das Foto auf dem Handy als Hintergrundbild – als ich es auf der Arbeit gezeigt habe, hat es gleich geheissen «Schick mir das schnell!». Davor dachte ich eigentlich, dass nur ich das Bild so gut finde.
Was gefällt Ihnen an Ihrem Foto besonders gut?
Irgendwie gibt es diesem Zug die Illusion, als würde er bis in den Himmel reichen. Deswegen habe ich auch den Titel «Railway to heaven» gewählt. Das Foto gibt mir das Gefühl von Freiheit, von etwas Unendlichem. Es verbindet alles, was die Schweiz für mich darstellt: Die Berge, die Natur, der Tourismus mit der Gornergrat Bahn, aber auch der Pioniergeist. Die Bahn wurde ja 1898 eröffnet und fährt noch heute. Die Menschen, die sie gebaut haben, hatten damit vermutlich nicht gerechnet. Das zeichnet die Schweiz glaube ich am meisten aus: Pioniergeist, der Mut etwas anzufassen und das auch durchzuziehen. Das schöne als Lokführer ist, dass man Menschen aus der ganzen Welt kennenlernt. Ich habe mit Piloten gesprochen, die in Südafrika fliegen, mit Menschen aus Amerika… und ich denke, das ist die Schweiz, «Meine Schweiz», für mich: ein Ort, wo viele Kulturen zusammenkommen. Das mag ich an meinem Beruf auch ganz besonders.
Was war die Herausforderung an dem Foto?
Der Führerstand vom Zug ist beleuchtet, denn es gibt ein paar Lampen, die man nicht ausschalten kann. Das Schwierige war, so weit zu beleuchten, dass ich die Sterne trotzdem noch sehe, die Details vom Führerstand aber nicht verloren gehen. Ich glaube, es waren so etwa 30 Bilder, die ich übereinander gelegt habe, bis alles sauber war. Ich bin ein bisschen empfindlich, ich hab nicht gerne Bilder, die rauschen. Das ist bei Nachtfotografie aber fast nicht zu vermeiden. Also mache ich immer eine Serie von Fotos, die ich dann übereinander lege und anpasse, dass die Sterne stimmen – das ist ziemlich viel Arbeit. Das schwierigste ist aber wirklich die Belichtung sauber hinzukriegen.
Das Matterhorn ist ja ein sehr beliebtes Fotomotiv. Was macht es für Sie so faszinierend?
Überall sonst sind Berge, aber das Matterhorn steht allein, da ist nichts rundherum. Wenn man von Zermatt aus rausschaut, da steht der Berg so allein und mächtig über dem Dorf. Es gibt ihm ein spezielles Aussehen, das man sonst glaube ich auf der Welt nicht oft findet. Ich denke, dass es deshalb so beliebt ist.
Sie haben eine eher ungewöhnliche Perspektive auf das Matterhorn gefunden. Kommt man als Nicht-Lokführer überhaupt zum Aufnahmeort?
Es gibt einen Wanderweg in der Nähe, aber da muss man eine Weile laufen. Der Weg ist zwar markiert, aber wenn man nicht weiss, wo er durchgeht, ist das ein bisschen schwierig zu finden. Wir nennen den Ort eigentlich «Die Fotostrecke», denn wenn man Fotos von der Gornergrat Bahn sieht, sind die meistens dort aufgenommen. Allerdings aus einem anderen Winkel, mit dem Matterhorn in einer anderen Perspektive... Das wollte ich eben nicht, ich wollte mal etwas Anderes probieren.
Gibt es noch mehr fotografierende Lokführer bei der Gornergrat Bahn?
Ja so zwei, drei sind wir schon. Wir gehen regelmässig fotografieren und wir geniessen das. Der ein oder andere wird jetzt vielleicht auch beim CEWE Photo Award mitmachen.
Wie haben Sie von dem Wettbewerb erfahren?
Ich glaube ich habe an dem Tag etwas beim Migros Photo Service bestellt und habe das auf der Website gesehen. Da dachte ich «Machen wir mal mit, zeigen wir das Bild mal ein bisschen herum! Vielleicht wird’s ja was.». Mit 7’700 anderen Einreichungen hätte ich allerdings nicht gerechnet, da habe ich mir keine Chance ausgerechnet. Zwischenzeitlich habe ich immer wieder reingeschaut und auch mal einen Artikel bei fotointern.ch gesehen. Da war mein Bild auch drin, das hat mich sehr überrascht und gefreut.
Wie sind Sie zur Fotografie gekommen?
Im Grunde genommen war das 2017, da ging es mir persönlich nicht so gut. Es war eine schwierige Zeit und irgendetwas musste her, um mich abzulenken. Ich hatte noch die Kamera, die ich früher mal gekauft habe. Irgendwann hab ich mir gesagt: «Jetzt nimmst du die Kamera mit und gehst fotografieren». Ich war zuerst nicht wirklich zufrieden, aber dann habe ich mir viele YouTube Videos angeschaut und dann hat es mich gepackt. Da kam die Leidenschaft auf und dann musste ich einfach fotografieren. Mit der Zeit wurde ich immer besser. Für mich war und ist die Fotografie eine persönliche Herausforderung. Ich brauche das zum Abschalten nach dem Beruf. Ich bin den ganzen Tag mit vielen Touristen zusammen, da brauche ich als Hobby etwas, wo ich alleine sein kann. Wo ich Ruhe finde.
Sind Ihre Kinder manchmal auch dabei?
Ja, die kommen manchmal auch mit. Meine Tochter hat schon einen Spielzeug-Fotoapparat. Sie ist jetzt drei Jahre alt. Da mache ich mir schon Hoffnungen, dass sie die Fotografie irgendwann auch als Leidenschaft für sich entdeckt.
Gibt es einen Fotomoment, an den Sie sich besonders gern zurückerinnern?
Das schönste Erlebnis, was ich je hatte: da habe ich zum ersten Mal die Milchstrasse fotografiert. Morgens um drei Uhr in der Dunkelheit den Auslöser drücken und warten, bis das Bild auf dem Display kommt, und plötzlich sieht man die Milchstrasse dort. Das ist ein gewaltiges Gefühl, das ist einfach einzigartig.
Gehen Sie oft nachts auf Fototour?
Ja, ich gehe für gewöhnlich, wenn ich am Tag darauf frei habe. Dann packe ich die Kamera auch mal um Mitternacht und steige ins Auto und fahre los. Und dann schaue ich: Wo könnte ich heute Fotos machen? Manchmal bleibe ich auch mit dem Auto liegen, morgens um drei Uhr… auf 2000 Meter (lacht).
Das hört sich abenteuerlich an.
Ja, manchmal ist es sogar auch unheimlich. Einmal beim nächtlichen Fotografieren habe ich plötzlich Geräusche gehört. Ich nehme an, das waren Tiere – vielleicht ein paar Rehe. Ich hatte jedoch an dem Morgen gelesen, dass in der Region ein Wolf gesichtet wurde. Für den Rest der Nacht habe ich die Fotos deswegen aus dem Auto heraus gemacht (lacht). Ich habe mich einfach mit dem Fernauslöser ins Auto gesetzt und so die Kamera bedient. Mir war nicht mehr so nach Draussensein zu Mute! «Railway to heaven» ist ja auf ca. 2500 Metern Höhe entstanden. Ich weiss noch, im Winter habe ich einmal genau an dem Punkt dort Fotos gemacht, das war bei -28°C. Besonders lange ist man da natürlich nicht draussen. Aber manche Fotos brauchen etwas Geduld: Gerade bei den Milchstrassenfotos heisst es oft zwei Stunden am gleichen Ort zu warten, bis die Milchstrasse genau da ist, wo ich sie haben will. Es ist eben manchmal hart, aber es hat auch etwas Meditatives, durch diese Ruhe in den Bergen. Gerade da, wo ich das Foto gemacht habe… da war einfach absolute Ruhe, man hat wirklich nichts gehört. So hat man viel Zeit zum Nachdenken.
Die Fotografie ist für Sie also mehr als ein Hobby?
Ja, das Fotografieren ist meine Leidenschaft. Ich habe das ein bisschen von meinem Vater bekommen. Der hat früher auch analog fotografiert, zum Beispiel bei Hochzeiten. Heute fotografiert er immer noch Wildtiere. Seiner Meinung nach bin ich dafür zu langsam (lacht). Die Fotografie verbindet mich auch mit Menschen auf der ganzen Welt. Jeder hat seinen Platz, wo er fotografiert, sein Reich. Es verbindet, wenn man die Fotos miteinander teilt und ansieht. Es macht die Welt anfassbarer für jeden.
Was machen Sie aus Ihren Fotos?
Meistens stelle ich sie auf Instagram (@lauber.jonas). Sobald ich zu dem Motiv ein Gefühl habe, bestelle ich mir auch ein Wandbild davon. Insbesondere wenn mich ein Foto inspiriert oder berührt, muss ich das einfach drucken. Dann will ich das jeden Tag anschauen – es muss deswegen einfach an die Wand. Nur wird langsam der Platz ein bisschen knapp (lacht)! «Railway to heaven» hängt bei uns im Wohnzimmer. Es gibt auch einige Freunde, die mich um den Druck eines meiner Fotos gebeten haben – das macht mich stolz.
Haben Sie ein Lieblingsmaterial für Ihre Wandbilder?
Es kommt auf das Motiv an. Ich habe zum Beispiel ein Nachtpanorama von einer Stadt. Das habe ich als Acrylbild bestellt, damit ich es von hinten beleuchten kann. «Railway to heaven» habe ich dagegen auf Alu-Dibond bestellt, denn da sind die Farben wunderbar kräftig und satt. Ich bin damit sehr zufrieden.
Haben Sie Ratschläge für Fotografie-Anfänger?
Man sollte den Glauben aus dem Kopf bekommen, dass das Foto Anderen gefallen muss. Der Einzige, dem das Foto gefallen muss, ist man selbst. Dabei kommt es nicht darauf an, ob man das Foto mit der teuersten Kamera oder dem teuersten Objektiv macht, oder mit dem Handy. Wenn einem selbst das Foto gefällt, dann ist es ein gutes Foto. Einfach nicht aufgeben und immer weiter machen.
Vielen Dank für das Interview!
Hier geht’s zum Fotowettbewerb «Meine Schweiz» mit allen 20 Gewinnern: contest.cewe.ch/meine-schweiz